Die Kadaver von toten Tieren liegen zwischen den lebenden, mehrere tausend Tiere auf engstem Raum, teilweise können die Vögel nicht mehr aufstehen – sie sind einfach zu schwer und zu schwach, um ihr eigenen Gewicht zu halten. Die Zustände in einem Putenmastbetrieb im Kreis Gütersloh sind kein Einzelfall. Vielmehr stehen sie stellvertretend für den traurigen Alltag von 12 Millionen Mastputen in Deutschland.
Puten sind ihren Peinigern schutzlos ausgeliefert, denn abgesehen von den allgemeinen Vorgaben im Tierschutzgesetz gibt es keine direkten gesetzliche Vorschriften, die Putenmastbetriebe einhalten müssen. Lediglich eine Eckwertevereinbarung, die sich die Betreiber selbst auferlegt haben, existiert. Diese von uns veröffentlichten Bilder belegen, dass nicht einmal diese geringen Vorgaben eingehalten werden.
Kranke Tiere werden weder tierärztlich behandelt, noch in Krankenbuchten separiert. Viele Tiere sterben nicht in Schlachthof, sondern bereits während der Mastperiode. Teilweise liegen sie tagelang tot in den Hallen und sind zum Teil schon mumifiziert.
Ist dies ein Einzelfall mit besonders skandalösen Zuständen? Nein - es ist ein exemplarischer Betrieb, der den erschreckenden Alltag in deutschen Putenmastställen zeigt. Mastanlagen wie diese stehen überall in Deutschland.
Gesetzeslage
Im Gegensatz zu anderen ‚Nutz’tierarten ist die Haltung von Mastputen in Deutschland, abgesehen von den allgemeinen Vorgaben im Tierschutzgesetz und in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, nicht speziell gesetzlich geregelt. Puten werden nicht einmal (wie generell »Nutzgeflügel«) im Tierzuchtgesetz beachtet.
Auf nationaler Ebene wurde lediglich im April 2013 auf Basis einer älteren Eckwertevereinbarung aus dem Jahr 1999 die »Bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen« verabschiedet. Es handelt sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung der Putenbranche, in der allgemeine Formulierungen überwiegen. Die Qualzucht der Hybridlinien oder hohen Besatzdichten finden keinerlei Beachtung.
Hygiene
Puten werden in Deutschland in Bodenhaltung aufgezogen. Die riesigen Hallen, in denen oft bis zu 10.000 Tiere eingepfercht sind, werden nur zwischen den einzelnen Mastdurchgängen gereinigt. Während eines Mastdurchgangs wird höchstens Streu nachgestreut, es wird aber kein Kot aus den Hallen entfernt. Das bedeutet, dass die abertausenden Puten unweigerlich ihr gesamtes Leben auf ihren eigenen Exkrementen leben müssen. Für die Puten bedeutet dies schlimmste und unhaltbare Zustände, die oft Fußballenentzündungen, Geschwüre oder Verätzungen nach sich ziehen.
Auch diese aktuellen Aufnahmen zeigen Puten mit erheblichen, schmerzhaften Verletzungen oder Entzündungen im Fußballen. In einem Fall war die unbehandelte Verletzung so schwerwiegend, dass das Gewebe schon abgestorben war und ein Teil der Krallen nur noch am Fuß hing. Es ist kaum vorstellbar, welche Schmerzen diese Pute ertragen muss.
Qualzucht
Bei der heutigen Putenmast steht die schnelle Gewinnung von Fleisch um jeden Preis im Vordergrund. Eingesetzt wird dafür überwiegend die Hybridrasse »B.U.T. 6« (Big 6). Dabei gelten die weiblichen Tiere nach 15-17 Wochen und die männlichen Puter nach 19-22 Wochen als „schlachtreif“. Dann wiegen sie bis zu 21 Kilogramm – das entspricht einer 350-fachen Gewichtsteigerung. Zum Vergleich: Ein Wildputer wiegt gerade einmal 5-11 kg. Nur durch die jahrzehntelange Zucht auf schnelle Gewichtszunahme können die in der Geflügelmast verwendeten Hybridrassen so schnell so schwer werden. Die Überzüchtung ist mit erheblichen gesundheitlichen Schäden für die Puten verbunden. Eine Folge von dem ungleichen Verhältnis von Muskulatur und den inneren Organen und die Überbeanspruchung des Stoffwechsels kann ein Versagen des Körpers nach sich ziehen. Unserer Auffassung nach müssten diese in der Geflügelmast verwendeten Rassen nach §11b des Tierschutzgesetzes verboten sein - es handelt sich um Qualzuchten.
Kalkulierter Ausschuss
Die schlimmen hygienischen Zustände, die Konsequenzen der Qualzucht und die hohe Besatzdichte in den industriellen Mastställen fordern Opfer - viele Tiere verenden nicht im Schlachthaus, sondern bereits während der Mastperiode oder auf dem Weg dorthin. Dieser „Ausschuss“ ist einkalkuliert und alltäglich. Die Industrie spricht gerne von wenigen Prozent, die das Mastende nicht erreichen. Nach der Erfahrung von Recherche-Aktivist*innen liegt dieser Prozentsatz aber deutlich höher. Sie verdursten, werden totgepickt oder totgetrampelt. Kranke Tiere werden vom Mäster getötet, weil sie keinen Profit bringen oder erliegen anderen Verletzungen und Erkrankungen. Diese Körper dieser Tiere landen nicht auf dem Teller, sie landen in den Kadavertonnen, die vor jeder Massentierhaltung stehen - sie landen im Müll.
tierretter.de lehnt jede Form der kommerziellen Tierhaltung ab! Auch in Biobetrieben geht es am Ende nur um eins - das Fleisch des Tieres und den damit verbundenen Gewinn. Für jedes Stück Fleisch ist ein Tier geboren, ausgebeutet und getötet worden. Einzig eine konsequente Abkehr von diesem ausbeuterischen Mensch-Tier-Verhältnis, die mit einer veganen Lebensweise einhergeht, kann dieses Leid endgültig beenden.