„Isst du keinen Fisch?“ fragte der junge Mann mir gegenüber. Auf seinem Teller lag ein gebratener Fisch mit gekochten Kartoffeln und Dill-Soße. „Nein“, antwortete ich, „Ich esse keine Tiere.“ Es war der zweite Tag meiner Gefängnisstrafe in der Tilberga Haftanstalt außerhalb von Västerås. Der Mann mit dem gebratenen Fisch wusste sicherlich nicht, dass ich dort war, weil ich eine Regenbogenforelle aus einer Fischfarm außerhalb von Norrtälje befreit hatte, in einer schönen Augustnacht in 2015. Als Teil der Aktivistengruppe Empty Cages (Tomma burar) führte ich diese Fischbefreiung aus, um das Töten in der Fischindustrie in einem Akt zivilen Ungehorsams anzufechten.
Studien zufolge leiden Fische in Fischfarmen mehr als alle anderen Tiere in der Tierlandwirtschaftsindustrie. Viele denken wahrscheinlich „Aber es sind nur Fische. Sind sie nicht eher wie Gemüse denn Tiere?“ Das Wort „Farm“ in Fischfarm spielt eher auf den Anbau von Pflanzen an als auf einen Ort wo fühlende Individuen aufgezogen werden. Hätte mein Mitinsasse mit so einem herzhaften Appetit gegessen, wenn er die aktuellste Forschungsarbeit über Fische gelesen hätte? Sie zeigt überzeugend, dass Fische Schmerz fühlen, dass sie eine hohe Lernfähigkeit aufweisen, ein eindrucksvolles Gedächtnis, und dass viele Fischarten Werkzeuge benutzen können; etwas von dem viele lange gedacht hatten, dass es nur Menschen könnten.
Hätte mein Mitinsasse seine gebratene Mahlzeit anders betrachtet, wenn er gewusst hätte, dass Fische Konflikte schlichten? Wenn zwei Buntbarsche (eine Süßwasserfischart, die oft in Aquarien gehalten wird) in einen Kampf geraten, geht ein anderer dazwischen und löst den Konflikt ohne sich auf eine Seite zu stellen.
Hätte der Fisch anders geschmeckt, wenn er von den Meisterwerken gewusst hätte, die manche Fische kreieren? Der männliche Kugelfisch wurde dabei beobachtet, wie er symmetrische, künstlerische Muster in den Sand macht, Er kann stundenlang an seinem Kunstwerk arbeiten und dabei Muscheln als Dekoration nutzen. Eine Funktion dieser Sandmuster ist es, Weibchen anzulocken und falls die romantische Einladung erfolgreich ist, wird sie ihre Eier in die Mitte des Kunstwerks legen.
„Wenn es ein allumfassendes Fazit gibt, welches wir aus der aktuellen Wissenschaft über Fische ziehen können, ist es dieses: Fische sind nicht bloß lebendig – sie haben Leben. Sie sind nicht nur Dinge, sondern Lebewesen. Ein Fisch ist ein Individuum mit Persönlichkeit und Beziehungen“, schreibt Jonathan Balcombe, einer der weltweit führenden Fischforscher, im Buch „What a Fish Knows – The Inner Lives of Our Underwater Cousins (2016)“ (Was ein Fisch weiß – Das Innenleben unserer Unterwasser-Cousins).
In den letzten Jahren, ist das Thema Tierrechte vorangeschritten. Immer mehr Leute reduzieren ihren Fleischkonsum oder beenden diesen komplett, weil sie nicht zum Leiden von Tieren beitragen wollen. „Ich esse kein Fleisch, nur Fisch“, sagen mehr und mehr Menschen. Unser Mangel an Empathie gegenüber Fischer kann damit zusammenhängen, dass wir ihre Schreie nicht hören oder keine Tränen in ihren Augen sehen können, wenn ihre Münder von Haken durchstochen oder sie aus dem Meer gezogen werden. „Fische sind immer in einem anderen Element, still und nicht lächelnd, beinlos mit totem Blick“, schreibt Jonathan Saffran Foer in Eating Animals (Tiere Essen).
Seit unserer Kindheit haben wir gelernt, dass Fische eine Ressource sind, die nur für unseren Konsum und Genuss existiert. Dadurch wurde es möglich, dass Fische heutzutage die am meisten ausgebeutete Tierart auf Erden sind. Allerdings sind wir nicht gezwungen Fisch als Nahrung zu betrachten. Mit dem neuen Wissen über das komplexe Leben von Fischen, können wir eine ganz neue Haltung gegenüber unseren Vorfahren in den Meeren entwickeln. Statt sie zu braten, können wir weiter ihr faszinierendes Leben erforschen und sie in Frieden in ihrem richtigen Element leben lassen.
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Martin Smedjeback saß im November/Dezember eine einmonatige Gefängnisstrafe ab, weil er das Gesetz in seine eigenen Hände genommen und zusammen mit der Gruppe Tomma burar (Empty Cages) einen Fisch aus einer Fischfarm befreit hatte.
Text: Martin Smedjeback | Deutsche Übersetzung: Nina Wolter
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