Etwa 12.000 Besucher*innen strömten Anfang Januar auf die Brieftaubenmesse in den Westfalenhallen in Dortmund. Auf der Messe wird nicht nur alles für die Zucht vorgestellt, sondern auch die Tiere selbst werden präsentiert, prämiert, verlost und versteigert. Brieftaubenzucht ist ein Tierschutz-Thema, das oft vernachlässigt wird oder kaum kommuniziert wird. Dabei geht dieser ‚Sport‘ mit erheblichen Leiden für die Vögel einher. 

Die Taubenzucht unterteilt sich in zwei Bereiche - die Zucht auf Leistung und die Zucht auf Rasse. Bei Tauben, die für Wettflüge verwendet werden, geht alles um Leistung. Die Tiere sollen ja im besten Fall Preisgelder für die Züchter bei Wettbewerben gewinnen. Wie Waren werden die Tauben benotet und bewertet. Die schrecklichen Praktiken, mit denen diese Bestnoten erreicht werden, sieht man hier nicht – sie finden im ‚Taubenschlag‘ des Züchters statt. Erfüllen Tiere nicht die Anforderungen werden sie getötet, da sie für eine weitere Zucht ungeeignet sind. Die Züchter*innen selbst rechtfertigen diese Selektion damit, dass sie die Tiere danach auch verspeisen würden. Egal, ob dies stimmt und die Menschen tatsächlich die teilweise mit Medikamenten behandelten Tiere wirklich essen oder sie in der Mülltonne landen: Tauben sind Lebewesen. Sie wollen leben, nicht sterben. Und gewiss wollen sie nicht nur existieren, um einen Nutzen für den Menschen zu erfüllen. In jedem Fall zeigt dieser Umstand jedoch, dass es den Taubenzüchter*innen nicht, wie gerne betont, um das Wohlergehen der Tiere geht, sondern nur um den Erfolg, das Prestige und die Preisgelder.

Dass fühlende Lebewesen einfach versteigert werden ist leider üblich, auch in anderen ‚Sportarten‘ mit Tieren, auf der Messe werden Tauben sogar verlost. Undenkbar, dass solche tierverachtenden Praktiken wie ‚Gewinnspiele‘ mit Lebewesen tatsächlich möglich sind. Tauben haben jedoch in der Gesellschaft einen besonders schlechten Stand. Tauben in den Städten werden oft verachtet. Fütterungsverbote sollen den Tierbestand dezimieren, Taubenschützer*innen werden oft Steine in den Weg gelegt. Tauben, die völlig zu Unrecht als dreckig oder Krankheitsüberträger gelten, sollen aus den Innenstädten verschwinden. Dabei sind für dieses ‚Problem‘ vor allem die Brieftaubenzüchter*innen verantwortlich. 

Die Tauben müssen bei den Wettkämpfen teileweise mehrere hundert Kilometer zurücklegen, viele Tiere schaffen es nicht und schließen sich erschöpft Stadttaubenpopulationen an. Da Brieftauben domestizierte Tiere sind, sind sie auf den Menschen angewiesen. Deshalb halten sich in den Städten auf und verbringen dort die meiste Zeit auf der Suche nach Futter. Die Brieftaubenzucht weist diese Verantwortung von sich, schlimmer noch, sie möchte die Brieftaubenzucht sogar zum Weltkulturerbe erklärt wissen. Zum Glück ist der erste Anlauf dafür gescheitert.

Abgesehen von der Zucht auf Leistung werden Tauben auch nach ihrem Aussehen gezüchtet. Es gibt zahlreiche verschiedene ‚Rassen‘ von Tauben. Viele Tiere leiden erheblich unter dem, was in der Taubenzucht als besonders ‚schön‘ empfunden wird. Bei sogenannten ‚Kropftauben‘ kommt es häufig zu Entzündungen, Tauben mit besonders kurzen oder langen Schnäbeln haben Probleme mit dem Picken oder können ihren eigenen Nachwuchs nicht mehr füttern. Besonders eindrücklich sind Qualzuchten bei einzelnen Rassen durch genaueres Hinsehen zu erkennen. Eine Zuchtlinie legt z.B. besonderen Wert auf eine Art ‚Stehkragen‘ aus Federn. Diese Tiere haben kaum die Möglichkeit etwas zu sehen. Obwohl dies eine gravierende Einschränkung für die Tiere darstellt, wird auf den Rassekarten nicht auf diese Problematik eingegangen, stattdessen wird die ‚edle Figur‘ betont.

Eigentlich müsste jedem Menschen bei diesen Bildern klar werden, um was es bei der Taubenzucht wirklich geht. Wenn Tauben als ‚Superstar‘ auf der Messe präsentiert werden und teilweise für hunderte Euro versteigert werden, dann geht es hier definitiv nicht um die Tiere. Ganz im Gegenteil, das individuelle Tier und seine Persönlichkeit bleiben auf der Strecke. Es geht um die Menschen, die Taubenzucht betreiben. Es geht um deren Spaß, den Wettbewerb, die Preisgelder. Die Tiere sind dabei nur Mittel zum Zweck, sie sind austauschbares ‚Material‘.

Würde es den Brieftaubenzüchter*innen wirklich um die Tiere gehen, so würden sie die Zucht umgehend einstellen und sich in Stadttaubenprojekten engagieren. Sie würden Eier austauschen, verletzte Tiere fangen und pflegen. Sie würden somit an der Lösung des ‚Stadttaubenproblems‘ arbeiten. Stattdessen setzen sie im Rahmen ihres Hobbys Tiere aus und hoffen so auf einen Platz auf dem Siegertreppchen, falls es die Taube überhaupt nach Hause schafft.