„Wir wollen das beste Geflügelland der Welt sein“ - mit dieser Zielsetzung startete 2015 die „Geflügel-Charta“. Aber was bedeutet das für die Tiere? Und bedeutet der internationale Vergleich automatisch, dass es den deutschen Hühnern und Puten gut geht? Aktive von tierretter.de e.V. haben Filmaufnahmen in einem Hühnermaststall in Nordrhein-Westfalen um den Aussagen auf den Grund zu gehen. Der von „QS“ kontrollierte Stall ist kein Skandal-Stall, die Aufnahmen zeigen Zustände, wie sie immer wieder von Tierschutz-Vereinen öffentlich gemacht wurden. Zustände, die von der Industrie immer wieder beschönigt oder dementiert wurden... 

Der Stall
Hühner werden in der konventionellen Landwirtschaft in Bodenhaltung in großen Hallen gemästet. Tiergruppen von bis zu 40.000 Tieren sind keine Ausnahme, sie sind die Regel. Oft stehen mehrere dieser riesigen Hallen nebeneinander. Es gibt Farmgelände, auf denen mehrere hunderttausend Tiere gehalten werden. 

Auf den Seiten der Geflügel-Wirtschaft ist die Rede von einer „lockeren und trockenen Einstreu“, in der ein Scharren, Picken und sogar Staubbaden möglich sei. Dabei wird die Einstreu über die ca. 33 bis 35-tägige Mastperiode nie ausgewechselt.
Stallboden besteht nach wenigen Tagen nur noch aus feuchtem Kot, der von den Tieren festgetreten wird. (Foto) Viele Tiere leiden deswegen unter Fußballenentzündungen, das permanente Leben in den eigenen Exkrementen würde annähernd jedes Lebewesen krank machen.

Zwar müssen Neubauten seit 2009 eine geringe Einfall-Fläche für natürliches Tageslicht gewährleisten, die meisten Ställe haben dies jedoch noch nicht. Kunstlicht reguliert also einen angeblich natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus. Der Stall, in dem tierretter.de gefilmt hat, war allerdings auch nachts hell-beleuchtet. Für die Industrie bedeutet das einige Vorteile. Denn so können die Tiere auch nachts essen und nehmen schneller zu, was einen höheren Profit gewährleistet.

Die Tiere
Mit den ursprünglichen Hühnern (Bankivahuhn), das nur in Südostasien lebte, haben die Tiere in den Ställen heute längst nichts mehr zu tun. Jene Bereiche, die für die menschliche Nutzung wichtig sind, wurden jeweils in jahrzehntelanger Zucht optimiert. Und zwar zum Nachteil der Tiere. Hühner, in der Fleischindustrie, sollen möglichst schnell, möglichst viel Fleisch ansetzen. Der Knochenbau und Bewegungsapparat kommt da oft nicht hinterher. Die Tiere kauern auf dem Boden und können nicht mehr aufstehen. Sie sterben vorzeitig. Dabei handelt es sich nicht um einige wenige Tiere. Das belegen Mülltonnen, gefüllt mit toten Hühnern, vor der Anlage. 

Der Mäster oder die Mästerin sind dazu verpflichtet, die Körper der verstorbenen Tiere täglich zu entfernen. In den großen Hallen ist dies aber kaum möglich. Die Aktiven von tierretter.de e.V. finden mehrere Kadaver, die augenscheinlich seit mehreren Tagen in der Anlage verwesen. Beim Betreten der Anlage und auf den ersten Blick waren bereits sechs leblose Körper zu sehen.

 

Sogar das Sättigungsgefühl wurde den Hühnern weggezüchtet, so stoppen sie niemals das Essen. Hühner könnten unter natürlichen Bedingungen deutlich über zehn Jahre alt werden. Masthühner leben nur 33-35 Tage, dann haben sie bereits ihr „Endgewicht“ erreicht. Eigentlich sind alle diese Tiere noch Küken, im Gewand eines monströsen Huhns.  

Das Leid
Wie jedes Lebewesen haben auch Hühner spezifische Bedürfnisse. Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen um glücklich zu sein, und die unglücklich machen, wenn sie nicht erfüllt werden. Die Industrie reduziert diese Bedürfnisse gerne auf ein optimales Klima oder Futter. Andere Bedürfnisse werden angeblich erfüllt. Wird aber genau hingeschaut, lösen sich die Versprechen in Luft auf. Am wichtigsten: jedes Tier will Leben! Und die Tötung dieser Tiere ist der einzige Grund, warum sie überhaupt leben und das ist die Definition von Ausbeutung.

Wer nur einmal Hühner in freiheitlichen Bedingungen gesehen hat, kann nachvollziehen, dass jedes einzelne dieser Tiere eine individuelle Persönlichkeit hat. Und nur für einen kurzen Gaumenschmaus können wir es wohl kaum moralisch rechtfertigen Tieren dieses unendliche Leid anzutun. Unsere Gesellschaft soll Empathie und Mitgefühl nicht nur vorheucheln – wir müssen sie auch leben. 

Jeder Mensch, der weiterhin Hühnerfleisch kauft, macht sich an dem Aufrechterhalten dieses Systems mitschuldig. Ein Verzicht auf sämtliche Tierprodukte ist aber noch lange kein aktiver Widerstand. Protest auf der Straße, das Aufmerksam-machen auf das Thema und ziviler Ungehorsam ist das, was wir all den Tieren schulden, die bereits getötet wurden.

Eine Petition um den Industriezweig rein zu waschen

Um den „Geflügelstandort Deutschland“ weiter als ein angebliches Tierschutzmerkmal auszubauen, hat der ZDG (Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft) eine Petition ins Leben gerufen, um zu fordern, dass auch in den Speisekarten der Gastronomie das Herkunftsland gekennzeichnet werden soll. 

Abgesehen davon, dass die Petition krachend gescheitert ist, ist die Tatsache der „deutschen Mast“ kein Indikator für tierschutzgerechte Produktion von Fleisch. Abgesehen von der grundsätzlichen Gewalt hinter dem System ist diese Haltung tierunwürdig.

Studien sollen ergeben haben, dass ein Großteil der Menschen sich diese Kennzeichnung wünschen würde. Wir finden, dann sollten die Verbraucher und Verbraucherinnen auch Zugang zu Aufnahmen haben, wie es abseits der geschönten Pressefotos und interaktiven Stallrundgänge in Hühnermast-Betrieben aussieht.

Bedeutet das „Herkunftsland Deutschland“ eigentlich wirklich eine regionale Erzeugung?

Grundsätzlich spricht sich aus ökologischen Gesichtspunkten auch tierretter.de e.V. neben der veganen Ernährung auch für den Kauf von möglichst regionalen Produkten aus. Aber bedeutet das Herkunftsland des Geflügels wirklich Regionalität? Denn auch wenn die Tiere zwar in Deutschland gemästet und geschlachtet wurden, das Futter kommt in vielen Fällen aus ganz anderen Teilen der Welt. Besonders der Soja-Anbau für Tierfutter bedeutet oftmals gigantische Rodungen von dem Regenwald für Futteranbauflächen. Nur damit hier in Deutschland Hühner gemästet und gegessen werden können. Regional ist das also nicht wirklich, auch wenn DE auf den Produkten prangt.

Eine Farce der Industrie

Die Geflügel-Wirtschaft sieht sich in den letzten Jahren einer starken Kritik ausgesetzt. Besonders die Veröffentlichungen von Bildern aus den Ställen machten der Industrie zu schaffen, zumindest was das Image angeht. Und so wird seit einigen Jahren eine aufwendige und teure Kampagne gefahren, um dieses Image aufzubessern. Wie sich zeigt, war die sowieso schon substanzlose Geflügel-Charta nur der Anfang. Bessere Bedingungen für die Tiere bedeutete sie nämlich nicht. Die aktuellen Bestrebungen sind ähnlich belanglos - wie unsere Bilder erneut beweisen.

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Quellen:

- Petition zur Herkunftskennzeichnung (https://www.openpetition.de/petition/online/endlich-klarheit-auf-der-speisekarte-ja-zur-herkunftskennzeichnung-in-der-gastronomie)

- Geflügel-Charta (http://www.gefluegel-charta.de)

- Deutsches-Geflügel (www.deutsches-gefluegel.de)

- Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (http://www.gesetze-im-internet.de/tierschnutztv/BJNR275800001.html#BJNR275800001BJNG000700308)

- Abenteuer-Regenwald (https://www.abenteuer-regenwald.de/bedrohungen/fleisch)